Kanäle - Vokabeltrainer Ostwestfälisch

Vokabeltrainer Ostwestfälisch - Folge 22: Schlürschluck


Ostwestfälisch verstehen! Zusammen mit Matthias Borner, Autor mehrerer Ostwestfälisch-Sprachführer, stellen wir jeden Monat die gebräuchlichsten lokaltypischen Ausdrücke vor. Diesmal geht es um den Begriff Schlürschluck!

07 OKTOBER 2016
Vokabeltrainer Ostwestfälisch mit Matthias Borner

Episode 22 Schlürschluck



Foto: GüterslohTV
Vokabel des Monats:
Schlürschluck

Bedeutung: Abschiedstrunk

Anwendungsbeispiel:
Am Stammtisch ist es spät geworden, als der erste gehen will. »Gerade ma’ halb drei, und du willst schon wech?! Mehr als wie vier Halbe und fümf Steinhäger haste doch noch gaa nich’ getrunken. Komm, wenigstens ’nen Schlürschluck nimmste noch!« – »Nee, ich muss los. Mein
Chef hat gesacht, ich soll mehr auf die Dissiplihn achten. Als Pilot muss ich
pünktlich um halb siem aufstehn!«

Zu den bekanntesten Werken des Liedermachers Reinhard Mey gehört seine Hymne auf die Freundschaft: »Gute Nacht, Freunde, es wird Zeit für mich zu gehen. / Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette / und ein letztes Glas im Stehen.« Zwei Dinge werden deutlich: 1. Mey schrieb das Lied 1974, als es noch keine Diskussionen um das Rauchen gab. Bei aktuellen Auftritten dürfte er den Refrain eigentlich nur in der politisch korrekten, wenn auch etwas holprigen Fassung singen: »Was ich noch zu sagen hätte, hätte früher die Dauer einer Zigarette in Anspruch genommen.« 2. Mey ist kein Ostwestfale. Wäre er Gütersloher statt Berliner, hätte er in seinem Lied sicher das wohlklingende Wort »Schlürschluck« eingebaut.

Der »Schlürschluck« bezeichnet das oft bereits im Stehen eingenommene Getränk vor der endgültigen Verabschiedung (»ein’ letzten füar unterwechs«).
Meist serviert der Gastgeber dabei Alkohol – ein Glas Möhrensaft als Abschiedstrunk ist eher eine Ausnahme. Und doch steckt in dem Begriff »Schlürschluck« bereits die Mahnung nach einem verantwortungsvollen Umgang mit alkoholischen Getränken, ist doch die Einladung zum Schlürschluck am Ende nichts anderes als die strikte Anordnung »Hände weg vom Steuer!«. Schließlich heißt schlüren »umherschlendern«. Nach einem Schlürschluck soll man also schlüren und nicht Autofahren – sonst hieße es ja »Fahrschluck«.

Da Mey sein Lied wegen der Raucher-Debatte ohnehin umtexten muss, sollte er am besten gleich über eine ostwestfälische Version nachdenken – auch wenn die Reime auf Schlürschluck begrenzt sind. Zumindest die erste Zeile schriebe sich quasi von selbst: »Gute Nacht, Freunde, ich bin füar heut da duarch«.




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